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Auch Propheten werden müde

Der Engel des Herrn rührte Elia an und sprach:

Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.

1. Buch der Könige 19,7 
Elia war ein Prophet; einer derjenigen im Alten Testament unserer Bibel, die kein eigenes Buch hinterlassen haben, aber Geschichten und Taten voller Wucht. Aber genau dieser Elia wird dann auch mal müde. Müde seines Auftrags; müde sogar seines Gottes, dem er nicht mehr zu genügen meint. Dann legt er sich hin und will nichts lieber als sterben – was in seinem Glauben so viel heißt wie: sich zu seinen Vätern legen und mit dem ewigen Gott im Einklang sein. Das aber will Gott nicht. Gott hat noch viel vor mit seinem Diener Elia. Also weckt er ihn auf seine Weise, mit einem Engel. Der rührt Elia an, zeigt auf die Speise und verordnet ihm: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.

Manchmal kommt man nicht mehr von selbst auf die Beine, weder mit dem Körper noch mit der Seele. Es gibt Tage und Wochen, da sagt man zu sich selbst, aber auch zu Gott und der Welt: Es ist genug, Gott. Ich will nicht mehr. Wir sollten das nicht kleinreden oder nur bei anderen erkennen. Es geht uns auch selbst manchmal so: einfach keine Kräfte mehr. Sitzen oder liegen, vor sich hinschauen, sich ablenken oder ablenken lassen – auf keinen Fall aber mehr an irgendein Werk gehen. Es ist genug, Herr.

Und dann sieht Gott das anders. Oft merken wir es nicht sofort und wundern uns nach einer gewissen Zeit, warum wir doch wieder am Werk sind. Wenn wir dann genau hinsehen, haben wir uns nicht einfach von selbst auf unsere Beine gebracht. Etwas war da. Die Erinnerung an eine Pflicht, ein Anruf von jemandem, ein liebevoller Stups ins Leben, eine wieder entfachte Hoffnung – eben irgendetwas. Engel Gottes sind nicht immer Menschen, es kann auch anderes sein, was mich wieder ins Leben bringt. Oft ist es eher unscheinbar. Aber doch hilfreich. Und immer, denke ich, steht Gott dahinter, der mit seinen Winken mein Leben will und meine tiefe Freude: Steh auf und iss! Du hast einen weiten Weg vor dir.

 

Ihr Pfarrer Klaus Kemper-Kohlhase