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Eine kleine Andacht für zuhause

Sieben Wochen MIT- statt OHNE!

Palmsonntag, 5. April 2020
 

Wer mag, kann diese Andacht ausdrucken

und an Freude und Nachbarn verteilen,

die keinen Internetanschluss und damit keinen Zugang zu unserer Homepage haben.


 

Sonntagmorgens läuten die Glocken

und laden ein zum Gottesdienst. Doch in diesen Tagen ist vieles anders als sonst. Unsere Jesus-Christus-Kirche ist tagsüber zwar geöffnet, aber Gottesdienste dürfen in unseren Kirchen nicht stattfinden, auch heute nicht, am Palmsonntag, mit dem die Karwoche beginnt, die in das Osterfest mündet.
Eine kleine Andacht mit einem Text der Bibel, einem Gebet und Segen kann allerdings an jedem Ort stattfinden: zuhause, am Küchentisch, auf dem Sofa oder draußen im Freien und ganz gleich, an welchem Ort - natürlich unter Einhaltung der bekannten Regeln.

 

In einem Psalm des Alten Testaments heißt es:

„Herr, deine Güte ist wohltuend.

Wende dich zu mir, nach deiner großen Barmherzigkeit,

denn mir ist angst. Nahe dich meiner Seele und erlöse sie.“

 

Einer der vielen biblischen Texte für den diesjährigen Palmsonntag

findet sich im 14. Kapitel des Markusevangeliums. Es sind die Verse 3 bis 9:

„Als Jesus in Bethanien war, im Haus Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl. Sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Einige wurden unwillig und sprachen untereinander: Was soll die Vergeudung? Man hätte dieses Öl für mehr als 300 Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren die Frau an.

Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden. Was betrübt Ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn Ihr habt allezeit Arme bei Euch. Und wenn Ihr wollt, könnt Ihr ihnen Gutes tun. Mich aber habt Ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“

 

1.) Eine seltsame Passionszeit, die in dieser Woche zu Ende geht.

Wissen Sie, unter welchem Motto die sieben Wochen der Passionszeit für viele steht?

„Sieben Wochen ohne“.

Sechs von den „sieben Wochen ohne“ liegen hinter uns. Sechs Wochen „ohne“.

Allerdings waren das nur für einen Teil der Bevölkerung sechs Wochen ohne.

Ohne Hektik.

Ohne Termine.

Ohne großartige Pläne.

Denn das Corona-Virus hat vieles von dem, was unser Leben bestimmte, außer Kraft gesetzt.

Termine wurden abgesagt und Schulen geschlossen.

Auch Klassenfahrten und Urlaube mussten abgesagt werden.

Gottesdienste können nicht stattfinden,

sogar zu Beerdigungen kommt man nur im kleinsten Kreis am Grab zusammen.

Der Einführungsgottesdienst unseres neu gewählten Presbyteriums ist ebenso verschoben worden, wie der unseres katholischen Kollegen in St. Marien.

„Sechs Wochen ohne“ - aber so ganz anders als wir uns das zu Beginn der Passionszeit je hätten vorstellen können.

„Sechs Wochen ohne“ für die einen!

„Sechs Wochen mit“ für die anderen.

Mit Arbeit über die Belastbarkeitsgrenze hinaus vor allem im medizinischen Bereich und in Bereichen des Einzelhandels, die für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind.

Mit Zukunftsangst für die Betriebe - auch, weil wir noch gar nicht abschätzen können, was da alles auf uns zukommt.

Wir stehen sprachlos vor einer Welt, die auf einmal sehr zerbrechlich geworden ist.

Wenn ich in den letzten Tagen in Meinerzhagen unterwegs war, begegnete ich Menschen,

die sehr vorsichtig und auf Abstand miteinander umgingen - aus Angst, sie könnten selbst angesteckt werden oder andere in Gefahr bringen.

Das Leben wurde auf einmal sehr wertvoll.

Deshalb möchte ich diese vergangenen Wochen - trotz aller Ängste und Schreckens-

nachrichten - auch in anderer Hinsicht „sechs Wochen mit“ nennen:

- sechs Wochen mit mehr Aufmerksamkeit

- mit mehr Achtsamkeit

- mit mehr Wertschätzung

- mit mehr Bescheidenheit

- mit mehr Demut.

 

2.) Die Runde bei Simon, dem ehemaligen Aussätzigen, befindet sich ebenso wie wir kurz vor einem ihrer größten Feste. Dort steht das Passahfest bevor, das ja parallel zu unserem Osterfest gefeiert wird.

Ein großes Fest steht also für die Juden ins Haus.

Ein Fest, auf das man sich gut vorbereitet hat,

das Haus gründlich gereinigt hat,

allen alten Sauerteig weggeworfen hat, neuen zubereitet, gebacken und gekocht hat,

wo man die Familie besucht oder Freunde.

So war es ja noch im vergangenen Jahr bei uns ja auch. Wir haben überlegt, wie wir Ostern feiern, in der Familie oder mit Freunden, vielleicht an einem anderen Ort im Urlaub.

Manch eine/r hat den Ostergottesdienst besucht oder einen Osterspaziergang mit Freunden unternommen.

Wir haben im vergangenen Jahr eingeladen

am Gründonerstag zum Tischabendmahl nach Willertshagen

und am Karfreitag zu Abendmahlsgottesdiensten.

Am Ostersonntag gab es nicht nur festliche Gottesdienste in unseren Kirchen, sondern schon früh um sieben Uhr einem Auferstehungsgottesdienst auf dem Friedhof.

Und dann kommt alles anders.

Wie es auch am Tisch des Simon, an dem Jesus eingeladen war, ganz anders gekommen ist.

Es kommt anders durch diese Frau ohne Namen. Sie benötigt offensichtlich keinen Namen.

denn es ist nicht wichtig, wie sie heißt. Es ist wichtig, was sie tut.

Sie betritt den Raum, in ihrer Hand einen Schatz kostbarer als Gold.

Und diesen Schatz, reines Nardenöl, nimmt sie und salbt damit Jesus.

Sie salbt den, an dem sich gerade die Geister scheiden.

Sie gießt das Öl auf seinen Kopf, so wie Samuel das Öl auf Sauls und Davids Kopf gegossen hatte. Sie gießt das Öl auf den Kopf und salbt ihn, wie man einen König salbt.

Die Frau ohne Namen, sie salbt. Sie be­rührt, bewundert und staunt dabei.

Und so wird unter ihren Händen aus dem Prediger Jesus der Herr, der König.

Die Frau ohne Namen schenkt ihm Kostbarstes.

Sie liebt - ohne Worte, aber mit ihrem Tun.

Sie liebt - und gibt sich hin und bekennt:

Du, Jesus, bist Herr, bist Christus.

Du bist der Gesalbte Gottes.

„Nein, so geht das doch nicht! Unmöglich! Was für eine Verschwendung!“

sagen allerdings einige von denen, die dabei sind am Tisch des Simon.

„Was für eine Vergeudung! Was für ein ungehöriger Luxus zur unpassendsten Zeit!

Es ist jetzt keine Zeit, um es sich gut gehen zu lassen. Morgen kann alles zu Ende sein.

Es ist keine Zeit für‘s Verwöhnen! Man hätte das Öl verkaufen und den Erlös den Armen geben sol­len.“ So reden sie.

Doch Jesus lobt die Frau ohne Namen.

„Sie hat getan was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.“ Jesus lobt die Frau - und er gibt ihrem Tun noch eine neue Tiefe.

„Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.“

Der Gesalbte Gottes, das ist der, der in den Tod und durch den Tod hindurch gehen wird.

Und deswegen ist es auch niemals so, dass uns der Sturz ins Nichts droht. „Ihr werdet leben, weil ich lebe, hier wie dort, heute, morgen und in Ewigkeit“ verheißt Jesus.

Die Frau ohne Namen, wir sollen uns an sie erinnern: Sie liebt. Sie vertraut. Sie salbt Jesus.

Es ist dieser Gesalbte, der uns bis heute bewegt, der uns Mut macht,

der Grenzen überschreitet - auch die Grenzen, die uns in diesen Tagen gesetzt sind,

der uns verbindet untereinander.

 

3.) Auch das muss in diesen Tagen, wo es Leben retten kann, für sich zu bleiben, ganz neu definiert werden. Wie kann es ein Miteinander aussehen, wo es heißt, Abstand zu halten?

Wie können wir uns begegnen, ohne uns und andere in Gefahr zu bringen?

Mit Nachbarschaftshilfe!

Mit telefonischer Nachfrage, wie es einem bestimmten Menschen geht!

Mit aufmerksamem Zuhören und mitgebrachten Einkäufen.

Miteinander heute, das heißt für mich in diesen Tagen auch, einander betend im Blick haben

und vielleicht auch singend, wie vor kurzem, als viele die sechste Strophe aus Matthias Claudius‘ Lied gesungen haben:

„So legt Euch denn Ihr Brüder (und Schwestern),

in Gottes Namen nieder,

kalt ist der Abendhauch.

Verschon uns Gott mit Strafen

und lass uns ruhig schlafen,

und unseren kranken Nachbarn auch.“

Trotz gebotenem Abstand sind wir miteinander verbunden

in dieser Welt und in dieser Passionszeit.

Und der Gesalbte, Jesus Christus, mittendrin!

Ihn brauchen wir in diesen Tagen, in denen so vieles anders gekommen ist.

Es wird immer wieder einmal alles anders kommen.

Jesus aber bleibt mitten unter uns, als der, der für uns der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.

So gehen wir auf Ostern zu!

Durch den Karfreitag hindurch wird es Ostern werden für uns.

Wir sehnen uns danach, nach Auferstehung, Auferstehung für alle.

 

Gebet

Wir halten dir unsere Herzen hin, Jesus Christus, wir strecken dir unsere Hände entgegen.
Wir wollten dir entgegengehen, wir wollten mit dir gehen, mit dir einziehen in deine Stadt.

Aber wir können nur mit unseren Herzen zu dir kommen.
Nur unsere Sehnsucht ist auf dem Weg zu dir. Nur unsere Gebete.
Sie sind alles, was wir haben.

So beten wir für die Kranken,
und für die, denen keine Medizin mehr helfen kann,
für die, die einsam sterben,
Komm zu ihnen mit deiner Liebe und heile sie.

Wir beten für die Menschen,
die in Krankenhäuser und Pflegeheimen arbeiten, in Feuerwachen und Apotheken,
in Kitas und Supermärkten, in Laboren und in Ställen, in Ämtern und Gemeinden.
Komm zu ihnen mit deiner Freundlichkeit und behüte sie.

Wir beten für die Menschen, die in der Sorge dieser Tage in Vergessenheit geraten,
die Flüchtlinge, die Opfer von häuslicher Gewalt,die Verwirrten und Missbrauchten,
die Hungernden, die Einsamen.
Komm zu ihnen und rette sie.

Wir halten dir unsere Herzen hin und danken dir für den Glauben.
Wir danken dir, weil wir zu dir und zueinander gehören.
Wir danken dir für die Zeichen der Liebe und Verbundenheit,
für die freundlichen Worte, für die Musik.
Wir danken dir für dein Wort und deine weltweite Kirche.

Wir wollten dir entgegengehen und einziehen in deine Stadt.
Und wir erleben: Du gehst mit uns durch diese Zeit.

Heute, in diesen Tagen der Passion, und jeden neuen Tag.

Amen.

So segne uns alle der allmächtige und barmherzige und gegenwärtige Gott,

Gott Vater,

Gott Sohn,

Gott Heiliger Geist.

Amen

 

Bleiben Sie behütet - an Leib und Seele.

Das wünsche ich Ihnen auch ganz persönlich!

Ihr Pfarrer Klaus Kemper-Kohlhase