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Karfreitag 2020

Ein Gottesdienst aus der Jesus-Christus-Kirche mit Pfarrer Klaus Kemper-Kohlhase und Kirchenmusikerin Elke Bernitt

„Dein‘ Angst kommt uns zugut.“

 

 

 

Wer mag, kann diese Andacht ausdrucken

und an Freude und Nachbarn verteilen,

die keinen Internetanschluss und damit auch

keinen Zugang zu unserer Homepage haben.

 

 

Auch an diesem Karfreitag

… sind die Türen unserer Jesus-Christus-Kirche wie an jedem Tag der Woche tagsüber geöffnet,

Gottesdienste dürfen aber nach wie vor nicht stattfinden.


Deshalb habe ich wieder einen Gottesdienst vorbereitet, den man zu jeder Zeit und überall lesen und auch hören kann, zuhause oder unterwegs, allein, zu zweit oder in der Familie.

 

Die Psalmen aus dem sogenannten Alten Testament, der Hebräischen Bibel,

waren Jesus vertraut.

Er hat mit ihren Worten gebetet und so seine Gefühle und Gedanken - auch seine Ängste - vor Gott gebracht, so, wie es viele Menschen bis heute tun.

 

In seiner schwersten Stunde erinnert sich Jesus an die Worte des 22. Psalms und spricht:

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

„Mein Gott“, ja, so rufe ich am Tag,

doch du gibst keine Antwort.

Und so rufe ich in der Nacht,

doch nur Schweigen umgibt mich.

Du aber, du bist der Heilige!

Auf dich vertrauten schon unsere Vorfahren.

Sie vertrauten darauf, dass du sie rettest.

Auf dich haben sie sich verlassen

und wurden nicht enttäuscht.

Mein Gott, bleib nicht fern von mir;

ich habe Angst, denn die Not ist nahe.

 

Im Matthäusevangelium (Kapitel 27) heißt es, dass Jesus diese Worte nicht stille vor sich hinsprach, sondern sie schrie:

Eli, Eli, lama asabtani? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Und Jesus schrie noch einmal laut auf und starb.

Und siehe, da zerriss der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Teile.

Die Erde bebte und Felsen spalteten sich.

Ein römischer Hauptmann mit seinen Soldaten bewachte Jesus.

Sie sahen das Erdbeben und alles, was geschah.

Da fürchteten sie sich sehr und sagten:

„Er war wirklich Gottes Sohn.“

 

Karfreitag ist ein Trauertag. „Kara“ bedeutet „Klage, Kummer, Trauer“.

In meiner Kindheit hatte der Karfreitag eine ganz eigene Prägung. Es war ein stiller Tag.

Die Menschen nahmen sich etwas zurück.

Und ich hatte immer das Gefühl: Dieser Tag gehört nicht mir, er gehört Jesus.

Heute hat der Karfreitag diesen eigenen Charakter weitgehend verloren;

für viele Menschen ist er zu einem arbeitsfreien Tag geworden.

Der Karfreitag als Trauertag stellt heute für viele eine Herausforderung dar.

Einen Tod, der fast 2000 Jahre zurückliegt, nicht nur mit der Vernunft zu bedenken,

sondern mit Leib und Seele mitzuempfinden, mitzuleiden, fällt schwer.

Dazu kommt das „Wissen“ um Ostern, „es ist ja alles gut gegangen“.

Ganz abgesehen davon, dass wir auch mit unserem Verstand an Grenzen stoßen,

wenn wir den Kreuzestod Jesus und seine Deutungen in der Bibel bedenken.

 

Vielleicht hilft uns da, wenn wir uns zunächst sagen:

Wir müssen es auch nicht verstehen.

Wir müssen Gott nicht verstehen.

Wir müssen nicht verstehen, warum damals am Karfreitag alles so geschah, wie es

geschehen ist.

Auch Jesus hat es nicht verstanden.

Noch kurz vor seinem Tod bat er darum, dass Gott ihm den Kelch ersparen möge.

Das tat Gott nicht.

Dagegen hat sich Jesus nicht aufgelehnt wie viele seiner Jünger,

sondern er hat es angenommen.

Er hat Gott mehr vertraut als seinen Wünschen und seinem Wollen

- im Gegensatz zu vielen Jüngern, die sich lieber aus dem Staub gemacht haben.

Ein paar Frauen waren die einzigen, die Jesus bis zum letzten Augenblick beistanden.

Und ein Jünger mit Namen Johannes.

Viele sind das nicht.

 

Das Vertrauen Jesu in den letzten Stunden ist ein höheres Verstehen:

Ich weiß es nicht, heißt das, aber ich traue Gott zu, dass er weiß, was er tut - mit mir tut.

Aus diesem Vertrauen kamen Jesu Kräfte.

Aus diesem Vertrauen kommt auch eine Liedzeile in unserem Gesangbuch,

die uns die Todesstunde etwas leichter machen kann.

Da dichtet einer (EG 87,5): Deine Angst kommt uns zugute.

So ähnlich hat es Paul Gerhardt auch gedichtet (EG 85,9):

Nimm mir, Herr, meine Angst, wie dein Vater sie dir genommen hat.

Wenn wir einmal von den vielen Deutungen des Todes Jesu absehen,

bleibt uns noch diese: Was Jesus mit Gottes Hilfe überstanden hat,

werden wir mit Gottes Hilfe auch überstehen.

 

Oft ist es die Angst, die uns lähmt.

Wir möchten dann nicht hören oder sehen, was uns ängstigt.

 

Wir wollen dem lieber aus dem Weg gehen.

Doch das geht nicht immer, wie uns gerade in diesen Wochen bewusst wird.

Vor diesem Hintergrund ist mir der Karfreitag eine Hilfe.

Er beruhigt mich ein Stück.

Denn an diesem Tag können wir erkennen, wie ängstlich Jesus oft war

- und wir können erfühlen, wie sein Vertrauen ihm etwas von der Angst genommen hat.

Seine Angst soll uns zugutekommen. Weil Gott sie ihm nahm.

Weil Gott ihn begleitete, ihm nahe blieb.

Kein Augenblick des Lebens, erst recht kein ängstlicher,

fällt aus der Fürsorge Gottes heraus.

Angst ist nicht Abwesenheit Gottes.

Angst ist mir ein Zeichen zu sagen: Nimm dich meiner an, Gott.

Mein Vertrauen, das hat Gott versprochen, wird eine große Belohnung haben.

Wir werden ruhiger, auch tapferer,

mit Gottes Hilfe.

 

 

Ein Gebet

Wir erinnern uns an Jesu Angst, an sein Leiden und an sein Sterben
- und verbinden uns mit allen Menschen,
die heute unter Angst leiden, Angst vor Krankheit und Tod.

Wir verbinden uns mit allen Menschen, die gerade in diesen Tagen hoffen,
dass Gott ihnen hilft und sie rettet.

Für sie und für uns lasst uns beten, wo immer wir auch sind:

 

Gott, wir bitten dich für die Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind
und überall auf der Welt um ihr Leben kämpfen;
für alte Menschen, deren Gesundheit besonders gefährdet ist,
und für diejenigen mit einer Vorerkrankung;
und auch für die Verstorbenen, deren Leben nicht gerettet werden konnte.

 

Wir sind dankbar und beten für Ärztinnen und Ärzte,
für die Pflegekräfte und anderen Helferinnen und Helfer,
die bis an ihre Grenzen gehen, um Menschen zu schützen und zu heilen.

 

Wir beten für alle, die sich um Angehörige sorgen,

denen sie jetzt nicht nahe sein dürfen,
um sie am Lebensende und beim Sterben zu begleiten.

 

Wir beten für Frauen und Männer und ihre Familien,
deren wirtschaftliche Existenz der allgemeine Stillstand bedroht;
und für die vielen Menschen, die anderen ihre Hilfe anbieten.
und neue kreative Wege der Unterstützung finden.

 

Gott, vor dir denken wir an die Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft,
die immer wieder neu zwischen dem Schutz des Lebens
und dem Fortbestand von Wirtschaft und Kultur abwägen müssen.

 

Wir beten für alle Menschen,
die sich auch in dieser schwierigen Zeit für Frieden und Zusammenhalt in Europa einsetzen;

für alle, die über Grenzen hinweg Hilfe leisten,
um die Schwächsten zu pflegen und zu heilen
und die Versorgung für alle zu sichern.

Wir denken auch an diejenigen, die nach konstruktiven und menschlichen Lösungen
für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln suchen.

Wir beten für alle, die im Glauben Halt und Orientierung suchen
und diese Tage außerhalb der vertrauten Kirchenräume verbringen;
und für alle Männer und Frauen, die mit Worten und Zeichen,
mit Musik und Gesten neue geistliche Impulse für einzelne und für die Gemeinschaft geben.

 

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gibt uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich

und die Kraft

und die Herrlichkeit

in Ewigkeit.

Amen.

 

 

So segne uns alle

der allmächtige und barmherzige und gegenwärtige Gott,

Gott Vater,

Gott Sohn,

Gott Heiliger Geist.

 

Sein Friede sei mit uns.

 

Ihr Klaus Kemper-Kohlhase, Pfarrer