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Gottesdienst zum 4. Advent

Predigt von Pfarrer Dirk Gogarn

Gottes Gnade sei mit euch und der Friede unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Amen.

Bitte lesen Sie den Lobgesang des Zacharias nach der Geburt seines Sohnes des Täufers Johannes – Evangelium nach Lukas 1,67-79.

 

Guter Gott, manchmal gibt es Dinge, die wir gar nicht zu glauben vermögen oder unser Vertrauen und unsere Hoffnung sind angekratzt, drohen verloren zu gehen. Manchmal ist unsere Geduld sehr strapaziert. Lass Du uns dann erneut deinen guten Willen entdecken und wirke durch den Heiligen Geist auch an uns. Mach du uns jetzt still und rede Du. Amen

 

Liebe Gemeinde,

kaum zu glauben. Manchmal sagen mir Menschen, dass sie Dinge nicht glauben können. Meist sehr weltlich und profan. Ob der Autohändler auch hält, was er verspricht; ob die Nachbarin wirklich diesen Vorteil bekommen hat, ohne ihre Beziehungen spielen zu lassen?

Kaum zu glauben – Zacharias hatte es nicht geglaubt, dass seine schon ältere Ehefrau Elisabeth im fortgeschrittenen Alter schwanger werden könnte. Eigentlich ist das auch biologisch nicht mehr möglich. Kaum zu glauben. - Und doch war Zacharias ein gläubiger und frommer Mann. Priester war er. Im Tempel von Jerusalem schon für lange Jahre. Kaum zu glauben. Zacharias hatte selbst dem Wort eines Engels nicht getraut. Kaum zu glauben. Zacharias war so erschrocken gewesen über das Wort des Engels, dass er nicht mehr reden wollte, dass er stumm blieb. Stumm blieb Zacharias genau 9 Monate lang. Stumm blieb Zacharias während der gesamten Schwangerschaft seiner Frau. Stumm, weil er nicht geglaubt hat, was geschehen würde. Stumm, weil er mit einem eigenen Entwicklungsprozess erst einmal zurechtkommen muss. Stumm, weil er wegen des kaum zu Glaubenden erst einmal auf sich selbst zurückgeworfen ist. Und dann geschieht etwas, was kaum zu glauben war. Elisabeth gebiert einen Sohn. Eine neue Familiengeschichte beginnt. Johannes, der Vetter und Vorläufer von Jesus wird geboren. Johannes wird geboren, der Sohn von Elisabeth und Zacharias.

Und Zacharias wird bewegt, bewegt von außen. Der Heilige Geist bewegt, verändert ihn, so heißt es in unseren nachdenklichen und klugen Zeilen des Evangelisten Lukas. Was kaum zu glauben war, das ist geschehen. Eine, seine reife Frau hat ein Kind zur Welt gebraucht. Neues Leben. Eigentlich hätten sie schon Großeltern sein können. Nun aber werden sie Eltern. Kaum zu glauben. Und Zacharias lobt seinen Gott. Den Gott, der schon seinen Vorfahren die Treue gehalten hat, der hat auch ihm die Treue gehalten. Die Ankündigung des Engels war wahrhaftig – wenn auch: Eigentlich kaum zu glauben. Zacharias ist nun befreit. Er redet wieder. Er ist befreit und redet wieder, denn das Vertrauen auf seinen Gott hat einen festen Grund gehabt. Und sein Gott hat sogar an ihm gewirkt. Er hat ihn bewegt durch seinen Geist – welch ein wunderbares Geschehen ist hier gewirkt worden – eigentlich kaum zu glauben. Und nun weiß Zacharias darum, dass sein Glaube einen festen Grund hat, dass Gott uns auf den richtigen Weg bringen kann – auf den Weg des Friedens – kaum zu glauben angesichts der Zerrissenheit und Bedrohung der Welt bis heute. Seinen Glauben,seine Zuversicht kleidet Zacharias, der es vorher noch nicht glauben konnte, in einen wunderbaren Lobgesang, kaum zu glauben.

November/Dezember 2020, nach dem Lockdown im Frühjahr, immer noch hohe, zu hohe Infektionszahlen. Wieder im Lockdown: Uns allen tut das weh wegen unserer eingeschränkten Freiheiten und Möglichkeiten. Mich schmerzt es, dass wir keine Präsenzgottesdienste feiern können. Den Gefahren sozialer Isolation oder des wirtschaftlichen Ruins sind wir ausgesetzt. Gefahren für das Überleben physisch und wirtschaftlich. Eine Situation, die wir seit den 40ziger Jahren des 20.Jahrhunderts nicht mehr gekannt haben. Kaum zu glauben. Hatten wir doch eigentlich gedacht, dass wir mit großen Epidemien über den Berg sind. Im Januar dieses Jahres sagten uns noch Regierungsvertreter, dass uns Corona nicht erreichen werde. Ende Februar sagte ein Landesgesundheitsminister, dass er alles im Griff habe. Und heute redet ein Gesundheitsexperte aus dem Europäischen Parlament davon, dass ein Schützenfest 2021 durchaus im Bereich des Möglichen sei. Alles Aussagen, die kaum zu glauben sind. Wenn es denn wirklich mit dem Schützenfest im kommenden Jahr so sein sollte, dann freue ich mich natürlich mit., aber meine Sorgen im Augenblick sind wirklich andere. Schon die alten Römer meinten, dass man das Volk mit Brot und Spielen bei Laune halten könne.

Mir imponiert der Glaubensweg des Zacharias. Den gläubigen und ungläubigen Zacharias mag ich mit ihnen noch einmal betrachten wollen. Ich denke, dass er uns auch in unserer Situation helfen kann. Berechtigterweise hat er nicht daran geglaubt, dass seine Frau noch schwanger werden könne. Beide waren schon in die Jahre gekommen. Er verweigert den weiteren Dialog. Er wird stumm. Er zieht sich auf sich selbst zurück. Er, der er eigentlich ein sehr gläubiger Mensch und ein eifriger Priester im Tempel seines Herrn war. Nun braucht er Zeit für sich. Zeit des Zweifels, Zeit der Reflexion, Zeit sich neu zu finden. Vielleicht mag uns das Jahr 2020 auch als ein solches Jahr in Erinnerung bleiben. Als die Zeit der Chance, der Neubesinnung und Neuausrichtung. Auch als Zeit der Entdeckung, dass Gott noch etwas mit uns vorhat, dass Gott möglicherweise anderes mit uns vorhat, als wir uns das so gedacht haben.

In den letzten Wochen der Besinnung habe ich Gedanken von Blaise Pascal entdeckt, einem Universalgenie und christlichem Philosophen der frühen Neuzeit. Der konnte tatsächlich alles: Mathematik und Philosophie. Ich kann leider nur Letzteres. Pastor bin ich geworden, weil ich nicht rechnen kann, aber durchaus mit Gott rechne. Blaise Pascal: Er warnt vor zu viel Geschäftigkeit. Wir Menschen drohen uns da zu verlieren und unsere eigentliche Bestimmung zu verfehlen. Zitat: „Weil Menschen mit sich selbst nichts anzufangen wissen, flüchten sie in den Tumult“. Soziologen unserer Zeit beschreiben, dass alle Dinge immer schneller passieren, dass Informationen schneller fließen, sich das Reisen beschleunigt hat, Arbeitsprozesse schneller geworden sind. Damit haben Belastungen zugenommen, die zu Reaktionen, wie zum Beispiel dem Burn-Out führen können. Dieses Jahr und auch die Adventszeit bietet die Chance einer Entschleunigung. Wege zwischenmenschlicher Kommunikation können gefunden werden. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten. Aber auch traditionelle Formen, wie der Brief oder das Telefonat, können genutzt oder neu entdeckt werden. In unserer ungewohnten Situation müssen wir nicht im „Jammertal“ versinken. Eine Neuentdeckung der Ruhe in der Adventszeit eröffnet uns die Möglichkeit, uns auf uns selbst und auf Gott zu besinnen, seine Ankunft in die Welt in den Blick zu nehmen. Gottes Ankunft in einer Welt, die so ist, wie sie ist mit ihren schönen und guten Seiten, aber auch in ihren Bedrohlichkeiten. Advent bedeutet: Die Erwartung, dass da noch etwas kommt. Auch, wenn es kaum zu glauben ist. Unser gläubiger, ungläubiger und dann wieder neu gläubiger Zacharias hat das erlebt. Er hat sich Zeit zum Rückzug auf sich selbst und zur Entwicklung gegeben. Zurückgezogen und stumm war er neun Monate lang. Elisabeth seine Frau war schwanger und Zacharias ging schwanger mit sich selbst. Als sich aber dann doch das einstellt, woran er nicht geglaubt hat (seine Zweifel waren ja nur allzu berechtigt gewesen), da sprudelt ein neues Lob Gottes geradezu aus ihm heraus. Er war nicht mehr der, der er vorher war. Er hatte sich neu gefunden oder finden lassen. Gottes Geist hat ihn bewegt und verändert. Lassen wir uns auch von diesem Geist ergreifen und bewegen. Lassen wir das adventliche Licht in uns und um uns herum aufgehen. Möge Gott uns auf den Weg des Friedens lenken.

Hoffnung prägt auch diesen so anderen Advent. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. Amen

 

EG 537 Mache dich auf und werde Licht

 

Guter Gott,

schenke uns Kraft, die in deiner Menschwerdung wurzelt.

Kraft, die uns zu tragen hilft, die Wägbarkeiten und Unabwägbarkeiten unserer Zeit.

Kraft, durch die wir getragen werden in Zeit und Ewigkeit.

Gott, auch wenn in diesem Jahr alles so ganz anders ist, so findet Weihnachten doch statt.

So kommst du doch in unsere Welt hinein.

Du erhellst unsere Dunkelheiten, indem dein heller Schein in unsere Herzen hineinleuchtet.

Schenke uns Hoffnung und Gewissheit auf dein Kommen.

Komme an in unserer Welt

und bei uns.

Amen