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Gedanken zum Mittwoch

Guten Morgen!

Heute möchte ich von einer Heiligen erzählen. Aber was bedeutet das eigentlich – „heilig“? Spielen Heilige in der evangelischen Kirche überhaupt eine Rolle? Wenn wir bei Paulus nachlesen, entdecken wir, dass er sämtliche Gemeindeglieder als Heilige angeredet hat. Und im Glaubensbekenntnis drücken wir unser Verständnis von Kirche als „Gemeinschaft der Heiligen“ aus. Heilig wird man allerdings nicht aufgrund besonderer Großtaten, sondern allein durch das Dasein und Sosein als Gottes geliebte Kinder.

Und mit diesem Heiligenbegriff können dann auch die Evangelischen ein ganz entspanntes Verhältnis zu den als heilig bezeichneten glaubensstarken Frauen und Männern in der Geschichte der Kirche haben, insofern sie sie als bemerkenswerte Persönlichkeiten und Vorbilder betrachten.

Eine von ihnen ist die Landgräfin Elisabeth von Thüringen. Sie wurde heute vor 785 Jahren, am 27. Mai 1235, heiliggesprochen. Wer war diese Frau?

1207 wurde sie als ungarische Prinzessin geboren. Mit nur vier Jahren brachte man sie nach Thüringen. Dort wurde sie – nicht unüblich damals – standesgemäß verlobt und im Haus ihrer zukünftigen Familie aufgezogen, bis sie mit gerade einmal 14 Jahren – ihr Verlobter starb, als sie zehn Jahre alt war – dessen Bruder, Landgraf Ludwig IV. von Thüringen, heiratete.

Ihre Ehe war glücklich, wenn auch nur kurz. Mit 20 wurde sie, inzwischen Mutter dreier Kinder, schon Witwe, denn ihr Mann starb auf einem Kreuzzug an einer Seuche.

Elisabeth hatte in der Zwischenzeit die Lehre des Franz von Assisi, der ein Leben in Besitzlosigkeit und Solidarität mit den Armen führte, kennen gelernt und für sich als wegweisend erkannt. Sie siedelte nach Marburg um und setzte dort ihr Wirken als Wohltäterin fort, das sie schon in Eisenach begonnen hatte. Sie hatte das Elend der armen Menschen gesehen, die unter Hunger, Kälte und Krankheit litten und konnte sich nicht damit abfinden, selber ein privilegiertes Leben zu führen und tatenlos zu bleiben. Motor und Kraftquelle waren dabei ihre tiefe Liebe zu Christus und zu ihren Nächsten.

Standesunterschiede spielten für sie keine Rolle. Sie fand die Ausbeutung der Armen ungerecht und sprach das auch offen aus. Als eine Hungersnot war, ließ sie – gegen Widerstände - Getreide aus den Speichern der Burg an die Hungernden verteilen und investierte landgräfliches Geld in Hilfsmaßnahmen. Ihre Solidarität wurde durchaus nicht immer anerkannt, und so erntete sie harsche Kritik. Aber mit zunehmendem Einsatz und völliger Selbstlosigkeit pflegte sie weiter Kranke und kümmerte sich um die Armen. 1231 starb Elisabeth – inzwischen selbst mittellos und völlig entkräftet – im Alter von nur 24 Jahren. In der katholischen Kirche feiert man ihr Fest am 19. November.

Es geht nicht darum, Elisabeth zu glorifizieren. Einige ihrer Entscheidungen – z. B. dass sie ihre Kinder verließ, als sie nach Marburg zog - können wir sicher nicht gut nachvollziehen. Auch der völlige Verzicht auf Selbstfürsorge scheint nicht nachahmenswert. Allerdings muss man das, was sie tat, vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse sehen. Die gesellschaftlichen Zwänge waren weitaus größer als heute, Beruf(ung) und Familie zu vereinbaren, kaum vorstellbar. Und um der im Mittelalter verbreiteten kirchlichen Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Missständen etwas entgegenzusetzen, brauchte es massive Opferbereitschaft und einen radikalen Veränderungswillen.

In ihrer tief durchfühlten Verbindung von Gottes- und Menschliebe war Elisabeth eine bemerkenswerte Frau und wurde so zu einem glaubhaften Vorbild. Sie setzte Taten an die Stelle frommer Worte, scheute sich nicht, Ungerechtigkeiten zu benennen. Sie war einfach nicht bereit, bei offensichtlichem Elend und Ausbeutung wegzusehen.

Nahm sie damit nicht ernst, was schon Paulus im 1. Korintherbrief beschreibt?

Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit (1 Kor 12,26).

Elisabeth war es unmöglich, im Namen Gottes eine so große gesellschaftlich akzeptierte Glücksdifferenz hinzunehmen. Und genau damit eckte sie an: unter ihren Standesgenossinnen und -genossen war sie ein lästiges Störfeuer in der bequem eingerichteten Lebenswelt. Das hat sie nicht davon abgehalten, zu den Menschen zu gehen und dafür zu sorgen, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern. Ein von ihr überliefertes Zitat hat mich sehr berührt: „Wir müssen die Menschen froh machen.“

Ein zeitloser Auftrag, oder? Kaum zu glauben, dass knapp 800 Jahre seit diesem Ausspruch vergangen sind! Wir müssen die Menschen froh machen! Das können und sollten wir uns auch heute sagen lassen. Froh machen heißt, den anderen Menschen zu achten, zu beachten, zu schützen, zu stärken, zu fördern und - ganz nebenbei - dadurch selbst froh zu werden.

Das ist ganz lebenspraktisch. Kein frommer Wunsch, sondern ein konkreter Auftrag. Statt betulich zu reden, etwas tun. Nicht theorielastige Antworten geben, sondern Verantwortung übernehmen. Das hat Elisabeth vorgelebt. Handeln statt zu hadern. Entschieden eingreifen. Zusehen, was dem/der Anderen nützt, versuchen, unser menschliches Miteinander menschlicher zu gestalten.

Wie wäre es, wenn wir Elisabeths Wunsch zu unserem eigenen „Dauerauftrag“ machten?: Wir müssen die Menschen froh machen!

Bleiben Sie behütet!

Es grüßt Sie herzlich

Ihre Martina Kämper