voriger Artikelalle Neuigkeitennächster Artikel

Füreinander das sein, was Gott für uns ist: ein Mensch! Gedanken zum heutigen Sonntag Misericordias Domini von Pfarrer Klaus Kemper-Kohlhase

Es ist Sonntag, der 18. April 2021. Ostern liegt nun schon zwei Wochen hinter uns. Dieser heutige Sonntag steht in unserer Kirche ganz im Zeichen des Hirtenbildes. Man nennt ihn deshalb auch den „Sonntag des guten Hirten“.

Der Beruf des Hirten zählt zu den ältesten der Menschheitsgeschichte – und er ist ein harter Job. Bis heute. Unzählige Schriften der Antike erzählen von Hirten. Auch in der Hebräischen Bibel stößt man immer wieder auf die Figur des Hirten, der sich um seine Herde kümmert.

So war auch David, der bedeutendste König der jüdischen Geschichte, zunächst ein Hirte.

Auch Mose war Hirte. Er weidete das Vieh seines Schwiegervaters Jitro. Später wurde er „Hirte seines Volkes“ genannt, weil er die Israeliten durch die Wüste führte. Und auch die biblischen Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob waren Hirten. Es war der häufigste Beruf jener Zeit.

Hirten, von denen auch die Bibel erzählt, waren Männer, die als Nomaden mit ihrem Vieh umherzogen auf der Suche nach guten Weideplätzen. Sie lebten in Zelten und sorgten für die Nahrung ihrer Tiere und für deren Sicherheit. Sie waren quasi der Prototyp eines guten Kümmerers.

Dass eine Herde so läuft, wie wir es aus idyllischen Hirtenbildern kennen, alle zusammen, munter und gut genährt, scheint nicht der Normalzustand zu sein. Eine gepflegte Herde zu haben ist harte Arbeit. Der Normalzustand, wenn man eine Herde sich selbst überlässt, bedeutet Chaos.

Deshalb muss ein Schäfer oder eine Schäferin ganz besondere Qualifikationen haben. Über die Voraussetzung für diesen Beruf habe ich Folgendes gelesen: „Hauptsache ist die Freude und die Neugier im Umgang mit Tieren, sowohl mit Hunden wie auch mit den Schafen. Dazu kommen Verantwortungsbewusstsein, allgemeine Naturverbundenheit, ein wenig Abenteuerlust, Freiheitsliebe und keine Angst vor einsamen Nebeltagen.“

Mit anderen Worten: Man muss ganz da sein mit offenen Augen, tatkräftigen Händen und ganzem Herzen. Im Leben eines Hirten oder einer Hirtin gibt es keine Zeiten, in denen man sagen kann: Jetzt nicht, ich bin müde, heute habe ich mal keine Lust, das Wetter ist mir zu schlecht. Eigentlich gibt es nur einen Grund, warum sich jemand dafür entscheidet, Hirte oder Hirtin zu werden: Weil man Schafe und das Leben in der Natur liebt. Es kann keine andere Antwort geben als Liebe und Leidenschaft.

Wenn ich mir dessen so bewusst werde, wundert es mich nicht, dass der Prophet Hesekiel gerade das Hirtenbild wählt, wenn er etwas über Gott aussagen will: Gott, der nicht müde wird. Der sich an uns Menschen bindet und seine Schöpfung zusammenhält. Gott, dessen Liebe nicht nur das Große und Starke umfängt, sondern auch das Kleine achtet und schätzt.

Gott, der zornig wird und eingreift, wenn das, was er mit viel Liebe ins Leben gerufen und geordnet hat, einfach verwahrlost oder schlecht behandelt wird.

„Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten.“ (Hesekiel 34,16) Was für eine wunderbare Selbstbeschreibung Gottes! Gott verspricht uns seine Zugewandtheit, seine heilsame Gegenwart.

Was uns Menschen angeht, die wir ja „zu seinem Bilde“ geschaffen sind, sollen wir einander suchen, einander Orientierung geben gerade in diesen so unübersichtlichen Zeiten, einander stärken und wo nötig, miteinander trauern und einander trösten. Wir sollen versuchen, füreinander das zu sein, was Gott für uns ist: Ein Mensch, der aufmerksam auch auf die Menschen achtet, die aus der Welt zu fallen drohen. Das heilt auch uns selbst.